Wahrnehmung und Kritik

Hallo zusammen,

heute sprechen wir über innere und äußere Kritik. Wie wir die wahrnehmen, was spielt dabei eine große Rolle und wie verzerrt diese Sinnerfassung sein kann. Dazu kommen ein tolles Video und meine Kommentare.

Es ist alles gut und einfach, solange wir uns auf eigene Wahrnehmung und Gefühle bei den einfachen nicht lebenden Objekten verlassen. Wasser ist feucht, Steine sind hart und schwer, Toilettenpapier ist weich (hoffentlich).
Aber wenn es um Menschen geht, werden die Dinge viel komplizierter. Eine Erwartung etwas zu wahrzunehmen und das, was man zuvor gesehen hat (aus Erfahrung kennt), beginnt darauf zu wirken, was man glaubt jetzt wahrzunehmen.
Zum Beispiel, wir lernen einen neuen Menschen kennen. Er kommt aus einem Land, wo wir noch nicht waren, aber kennen schon jemanden, der da geboren ist oder ein Kollege hat uns mal darüber erzählt, wie die Menschen da so sind. Das sind Vorurteile und Klischees, das kennt jeder. Oder alle meine Freundinnen davor waren mir untreu und jetzt habe ich eine Erwartungshaltung, dass meine jetzige Freundin mich auch betrugen könnte. Oder es ist ein Unfall passiert und Polizei vernimmt die Zeugen und ihre Geschichten unterscheiden sich.

Die obengenannten Beispiele helfen uns zu verstehen, dass wir nie die Realität mit 100% Genauigkeit und Objektivität wahrnehmen. Meistens filtern und bearbeiten wir es, als ob unsere Augen und Ohren eine Fernsehkamera wären und wir sähen Realität auf einem „Bildschirm“ in unserem Kopf. Meistens sieht man nicht alles – man konzentriert sich auf einige Details und lässt andere weg. Das nennt man das selektive Wahrnehmen. Manchmal nimmt die Schärfe zu oder ab. Entweder ist keinen Ton im Bild oder das Bild wird zum Teil abgeschnitten. Meistens ist die Wahrnehmung nicht ganz vollständig und unser Gehirn füllt die Lücken selbst – das subjektive Wahrnehmen (Jeder kennt das Spiel „Stille Post“).

Normalerweise ist unser Bildschirm eine gute Sache. Im Wesentlichen zeigt der, wie unsere Empfindungen mit dem Geist verbunden sind. Ohne den wären wir niemals in der Lage, den Informationsfluss von der Außenwelt zu bewältigen sowie die vergangenen Erfahrungen zu organisieren und zu nutzen.

Hier sind einige wichtige Infos für unsere Bildschirme:
1. Jeder hat einen Bildschirm. So sind alle Menschen.
2. Wir sehen nur unseren eigenen Bildschirm und nicht die Realität.
3. Wir können nicht genau wissen, was auf dem Bildschirm der anderen Person gezeigt wird. Wir müssen dafür diese Person sein.
4. Wir können nicht zu 100% anderen Menschen vermitteln, was auf unserem Bildschirm läuft. Viele Sachen sind uns selbst nicht mal bewusst. Außerdem Gedanken, Bilder, Meldungen, die da erscheinen, verschwinden viel schneller als wir die zum Ausdruck bringen können.
5. Wir können nicht automatisch alles glauben, was auf unserem Bildschirm angezeigt wird. Ein wenig Skepsis wird hier vom Nutzen sein.
6. Unser innerer Dialog ist ein Sprachkommentar, was wir auf dem Bildschirm als Untertitel sehen. Es kann destruktive Kommentare des inneren Kritikers oder gesunde Einwände dagegen enthalten. Diese Stimme interpretiert und verzerrt auch, was wir da sehen.
7. Wir können den Bildschirm nicht loswerden.

Es gibt viele Eingänge, über die äußere Signale/Reize den Bildschirm erreichen können. Davon haben nur fünf einen Bezug zur Realität: visuelle Bilder, Geräusche, Berührungen, Geschmäcker und Gerüche. Alle von ihnen können durch unsere inneren Aspekte wie Bedürfnisse, Emotionen, Erwartungen, Glaubenssätzen, Meinungen, physischen und psychischen Zustand, eingeübte Verhaltensmuster usw. überlagert werden. Unsere Wahrnehmung der Realität ist nur eine von den Nachrichten auf unserem Bildschirm. Es wird durch unsere angeborenen Fähigkeiten und Eigenschaften abgefärbt. Unser Blick auf die Realität kann durch Erinnerungen an ähnliche Szenen aus der Vergangenheit verzerrt oder gestört werden.

Jetzt komme ich zum einem wichtigen Part. Wenn das alles richtig ist, dann heißt es, dass die ganze Kritik, die wir im Leben erhalten, nicht der Realität entspricht.
Ja, zumindest, auf keinen Fall zu 100%. Unsere Kritiker verurteilen nicht uns. Sie kritisieren, was sie auf ihren Bildschirmen sehen. Sie können behaupten, uns besser durchblicken zu können oder zu kennen als wir selbst. Aber sie sehen nie unser wahres Ich, nur unser Abbild auf ihrem eigenen Bildschirm, das auch verzerrt ist.
(Übrigens, das heißt, dass auch unser Innerer Kritiker das nicht sehen kann, da wir uns selbst verfälscht sehen).
Dazu kommen noch Projektionen, mit denen ich schon sehr lange arbeite und habe mehrmals darübergeschrieben (siehe unten). Meistens kritisieren Menschen in uns ihre eigenen Anteile, Charaktereigenschaften, Werte, Verhalten usw., die sie bei sich nicht akzeptieren
können oder die sie selbst haben wollen, aber verbieten sich.

Deswegen ist es wichtig, wenn wir sich selbst kritisieren oder jemand uns kritisiert, immer dem mit etwas Skepsis zu begegnen, zu hinterfragen, ob wir uns wirklich den Schuh anziehen sollen, ob das der Wahrheit entspricht.

Wir werden durch andere erzogen und lernen aus den Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Nicht ganze Kritik ist falsch oder unangemessen. Zum Beispiel die Kritik zu einem unpassenden Verhalten, einer Meinungsäußerung, Taktik oder einem Gedankengang kann uns helfen besser zu werden. Wenn aber jemand über unsere Persönlichkeit, Glaube, Rasse, Träume, physisches/psychisches Vermögen, Werte etc. redet, dann sollen wir das anzweifeln und nachfragen.

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Über Roman Mendelev

vom Konflikt über Diplomatie zum Frieden
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