Scham

Hallo zusammen,

heute sprechen wir über Scham: woher sie kommt, was mit uns macht und was können wir dagegen tun. Das Thema halte ich für sehr wichtig, aber auch für heikel, da darüber eher nicht gesprochen wird. Dazu kommen ein tolles Video und meine Kommentare.

Scham ist ein äußerst schmerzhaftes Gefühl oder eine Erfahrung unserer eigenen Minderwertigkeit, die uns das Gefühl gibt, kein vollwertiges Mitglied der Gruppe zu sein. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Fähigkeit, Scham zu empfinden, angeboren ist. Andere glauben, dass sich diese erst entwickeln muss – was jedoch bereits in den ersten Lebensjahren geschieht.

Einer der Gründe, warum Scham eine große Macht über uns hat, ist ihre Fähigkeit, uns ein Gefühl der Einsamkeit zu vermitteln, als ob wir die einzigen wären, die Scham empfinden oder sich irgendwie von anderen unterscheiden und nicht zum Besseren.

Scham zerstört unsere Verbindungen zu anderen Menschen. Scham kann man als Trennungsangst bezeichnen, – die Angst, als minderwertig, nicht akzeptiert oder anerkannt zu werden. Scham hindert uns daran, über unsere Erfahrungen zu sprechen und den Geschichten anderer zuzuhören. Wir schweigen und bewahren Geheimnisse, weil wir Angst haben, abgelehnt zu werden.

Psychologische Isolation ist das schrecklichste und destruktivste Gefühl. So fühlt sich eine Person von allen möglichen menschlichen Beziehungen ausgeschlossen und ist machtlos, diese Situation zu ändern.

Scham ist mit inneren Überzeugungen verbunden: Ich bin schlecht, ich bin wertlos, ich kann nichts, ich weiß nichts, ich bin nichts wert, ich bin nutzlos.

Scham ist für innere Überzeugungen verantwortlich, aber außerhalb gibt es äußere Strukturen, die diese Überzeugungen beeinflussen oder erzeugen. Dabei kann es sich um überlappende, widersprüchliche und konkurrierende Erwartungen der Gesellschaft, sozialen Gruppen (zu den wir gehören), des Umfeld usw.  handeln.

Sie diktieren uns folgende Postulate:
Wie sollen wir sein.
Was sollen wir sein.
Wie sollen wir unsere Rollen erfüllen.

Lebensbereiche, in denen am häufigsten die Scham entstehen kann:
Aussehen und Körper, physische und psychische Gesundheit, Trauma
Alter und Alterungsprozess
Mutterschaft, Kindererziehung
Rasse, Klasse und Familie
Besitz, Geld und Arbeit
Sex, sexuelle Ausrichtung, Religion
Stereotypen, Meinungen, Vorurteile.

Bei den Frauen sind ganz oben die Themen: Aussehen, Beziehungen, Mutterschaft und wie gut machen sie sich als Mütter.

Bei den Männern: Finanzieller Erfolg, Intellekt, physische Kraft, Karriere, psych. und phys. Belastbarkeit, Kontrolle, Erfolg bei Frauen.

Alle diese Bereiche verbinden wir mit unerwünschten Bildern. Die haben Eigenschaften, die die Vision unseres idealen Selbstbildes untergraben. Diese Bilder und Sichtweisen übernehmen wir meistens von den wichtigen Personen in unserem Leben.

Zusätzlich zu den Überzeugungen und Stereotypen, die aus unseren Familien stammen, gibt es noch etwas: In dieser Welt tun die Medien nichts anderes, als Erwartungen zu verbreiten und zu bestimmen, was akzeptabel ist und was nicht. Das ist eine riesige Industrie, die viel Geld damit verdient uns ihre Erwartungen aufzuzwingen. Denkt nur über die Begriffe Mode, Kosmetik, Körperpflege, Diäten, Fitness, Plastische Chirurgie usw.

Wir können dem Einfluss der Medien nicht ausweichen. Werbung und Fernsehsendungen haben zweifellos einen erheblichen Einfluss auf die Kultur der Scham. Filme, Lieder, Artikel in Zeitungen und Zeitschriften prägen unsere Wahrnehmung des Aussehens. Wir sind uns alle zum Beispiel des unbestreitbaren Wertes der Schlankheit bewusst oder?

Arbeit mit der Scham

Es gibt vier Elemente, die unsere Schamresistenz erhöhen können.

1) Die Fähigkeit zu erkennen und zu verstehen, für welche Dinge wir uns schämen.
Welche äußeren Objekte, Subjekte und Ereignisse lösen in mir Scham aus?
Welche inneren Gedanken tun das Gleiche?
Welche inneren Überzeugungen können dafür verantwortlich sein?
Welche gesellschaftliche, soziale Erwartungen sind dafür verantwortlich?

2) Der kritische Bewusstsein für die obengenannte Lebensbereiche.
Ist das wirklich so?
Muss ich wirklich so aussehen, denken, handeln, sein?
Sind diese Überzeugungen nützlich für mich?
Muss ich allem entsprechen, was von mir erwartet wird?

3) Die eigene Verwundbarkeit zugeben.
Verwundbarkeit ist keine Schwäche. Zum Beispiel, wenn ich zugebe, dass die physische Stärke mein Schwachpunkt ist, werde ich mich dann mehr schämen? Eher nicht.
Wenn wir wissen, dass wir in diesem Bereich verwundbar sind, fällt es uns leichter, mit dem Gefühl umzugehen, mich selbst zu akzeptieren. Die Angst, dass es jemand erfährt ist jetzt weg.

4) Die Fähigkeit, über eigene Scham mit anderen zu sprechen.
Der Kontakt mit anderen gibt uns die Möglichkeit, Hilfe anzunehmen und zu leisten, neue Fähigkeiten durch Vorbilder zu erlernen, Strategien zu entwickeln, um potenziellem kollektivem Druck zu widerstehen und das Potenzial für zukünftiges Handeln zu entwickeln.

Der einzige Weg, sich von diesen einmal angenommenen Standards zu befreien, besteht darin, ihnen eigene, überarbeitete Definitionen zu geben und danach zu leben. Dazu sollen wir unsere internen Standards finden, uns bewusst machen und überarbeiten.

Warum schäme ich mich?

Euer Roman

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Über Roman Mendelev

vom Konflikt über Diplomatie zum Frieden
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